Ringen um das Direktmandat

Zeitungsartikel vom Dieburger Anzeiger vom 27.09.2018:

Kandidaten des Wahlkreises 52 für die Landtagswahl zu Gast beim Dieburger Anzeiger und der Kolpingsfamilie 

Von Stefan Scharkopf

Dieburg – Am 28. Oktober wird der neue Landtag in Hessen gewählt. Als kleine Entscheidungshilfe haben der Dieburger Anzeiger und die Kolpingsfamilie die Direktkandidaten zur Podiumsdiskussion eingeladen.

Alle vier Jahre das gleiche Ritual: Ab in die Wahlkabine, Kreuzchen machen, warten auf das Ergebnis – lange Gesichter, erfreute Gesichter, je nachdem. 4,4 Millionen Menschen sind bei der Landtagswahl in Hessen wahlberechtigt, rund 92 000 davon im Wahlkreis 52. Jeder Wähler kann zwei Stimmen vergeben, die erste für den Direktkandidaten, die zweite für die Partei.

Wer sind diejenigen, die das Wahlvolk auffordern, das Kreuzchen bei sich zu machen? Sechs von ihnen kamen zu einer Podiumsdiskussion des Dieburger Anzeigers und der Kolpingsfamilie. Rund 160 politisch Interessierte waren im Pater-Delp-Haus mit dabei.

Verkehr, Kindergartengebühren, Bildungspolitik und Innere Sicherheit: Um diese Themen kreisten die Fragen der Moderatoren Johannes Schneider (Kolpingsfamilie) und Ralf Enders (Dieburger Anzeiger).

Der Christdemokrat Manfred Pentz aus Groß-Zimmern ist der einzige Direktkandidat im Wahlkreis 52, der sich auch vor vier Jahren zur Wahl stellte, er gewann damals auch das Direktmandat. Herausgefordert wird er nun von der SPD-Kandidatin Catrin Geier, ebenfalls aus Groß-Zimmern. Der Dieburger Sebastian Stöveken geht für die Grünen ins Rennen, Tim Dreyer aus Schaafheim bewirbt sich für die Linken, Kay Hamacher tritt für die FDP an und komplettiert das Polit-Trio aus Groß-Zimmern. Mara Perica stellt sich für die AfD zur Wahl.

Mit Petra Mehrlein (Schaafheim, Freie wähler) gibt es noch eine weitere Direktkandidatin im Wahlkreis 52; sie reagierte aber nicht auf die Einladung und blieb der Diskussionsrunde am Montag fern.

In nicht allzu langen Statements nahmen die Kandidaten zu den Fragen Stellung (Antworten siehe Kästen). Pentz verwies als Landtagsmitglied auf die Erfolge der ersten schwarz-grünen Koalition in einem deutschen Flächenland. Seine Herausforderer sahen das naturgemäß anders und sparten nicht mit Kritik.

Zur Auflockerung mussten die Kandidaten noch das eine oder andere Wahlplakat ihrer Partei erklären, die derzeit überall zu sehen sind und durchaus die ein oder andere Frage aufwerfen. Gegen Ende der gutbesuchten Veranstaltung gab es noch eine kurze Fragerunde aus dem Publikum. Der Themenkanon: Rationalität in der Politik, Dieselfahrverbote, Klimaschutz und Energiewende. Augenfällig: Die AfD-Kandidatin verzichtete darauf, die eine oder andere Frage zu beantworten.

 

Manfred Pentz (CDU) sieht den Landkreis im Bereich Verkehr gut aufgestellt. Die Odenwaldbahn sei eine „tolle Sache“, verbessert werden könnte das Angebot durch den Einsatz von Doppelstockwagen. Die B 45 sollte dreispurig ausgebaut werden mit stoßzeitbedingter Richtungsfreigabe (zwei hin, zwei zurück). Zudem befürwortet Pentz den Straßenbahnausbau von Groß-Zimmern nach Darmstadt und wirbt für eine bessere Taktung bei den

S-Bahnen. Beim Thema Schulpolitik verteidigt Pentz das dreigliedrige Schulsystem. Hessen habe so viele Lehrer eingestellt wie seit sechs Jahren nicht, die Versorgung liege bei 105 Prozent. G8 sei abgeschafft worden, um den „Schulfrieden zu wahren“. Förderschulen sollten weiter ausgebaut werden. Bei Fragen der Inneren Sicherheit gelte es, Polizei, Rettungsdiensten etc. den Rücken zu stärken. Das Land Hessen habe mehr Polizisten als je zuvor. In der Bekämpfung der digitalen Kriminalität lägen besondere Herausforderungen der Zukunft.

Catrin Geier (SPD) spricht von einem „drohenden Verkehrskollaps“. Die B 45 bei Groß-Umstadt müsse ausgebaut werden, ebenso wie die B 38 bei Groß-Bieberau und die B 26 bei Babenhausen. Außerdem will sie sich für weitere Verbesserungen der Odenwaldbahn einsetzen und für konkrete Schritte zur besseren Anbindung Groß-Zimmerns an das Nahverkehrsnetz. In Sachen Bildungspolitik müssten bessere Arbeitsbedingungen für Lehrer geschaffen werden. Dazu gehörten die Abschaffung der „Zweiklassen-Gesellschaft“ zwischen Beamten und Angestellten und eine Bedarfsplanung. Die Sozialdemokratin spricht sich für einen „verlässlichen Weg zur Ganztagsbildung“ und SchuB-Klassen aus. Die Aufgaben der Polizei seien deutlich mehr geworden, die Beamten schöben Millionen von Überstunden vor sich her. Geier wirbt dafür, pro Polizeistation eine zusätzliche Funkstreife zu etablieren. Sie wartet zudem auf die Rückkehr Hessens in die Tarifgemeinschaft der Länder.

Kay Hamacher (FDP) sieht Hessen als Pendlerland. Auf der A3 herrsche Chaos, trotzdem stiegen die Leute lieber ins Auto, eben weil es zielgerichtet „von A nach B fährt“. Daher gelte es, Individualverkehr und ÖPNV nicht konfrontativ zu betrachten, sondern die Vorteile beider Modelle zu bündeln. 50 Millionen Euro für das Landesticket auszugeben, das 145 000 Landesbedienstete nutzen können, sei falsch, das Geld wäre woanders besser investiert, so der Liberale. Das Bildungsniveau der Abiturjahrgänge sei nicht mehr so hoch, wie es mal war. Experimente im Schulwesen müssten daher aufhören. Oft sei die betriebliche Ausbildung besser als die universitäre. Stichwort: Nicht jeder muss studieren. Beim Thema Innere Sicherheit sei eine personelle Aufstockung geboten, der Rechtstaat müsse durchgesetzt werden. Videoüberwachug lehnt er ab, die dokumentiere nur etwas, verhindere aber nichts. Die ehrenamtlichen Uniformträger von Feuerwehr, TAW etc. müssten stärker unterstützt werden.  

Vor dem Hintergrund des Klimaschutzplans müsse der motorisierte Individualverkehr weniger werden und die Angebote des ÖPNV zunehmen, so Sebastian Stöveken (Grüne). Was den Ausbau der B 45 betrifft, müsse man konstatieren, dass es derzeit in Hessen höherrangige Projekte gebe. In der Bildungspolitik spricht sich Stöveken für Ganztagsschulen aus. Die Lehrerversorgung sei besser geworden, reiche aber nicht aus. Zudem müssten den Unterrichtenden moderne Methoden an die Hand gegeben werden. Der Grüne warb für Modelle mit Firmen, die Jugendlichen einen Einblick in die Arbeitswelt ermöglichten. Bei Polizei und Justiz brauche es mehr Personal. Brennpunkte müssten identifiziert werden. Zur Kriminalitätsbekämpfung gehörten auch Wertvermittlung an Kinder und Präventionsprogramme.   

Für den Vertreter der Linken, Tim Dreyer, geht es beim Thema Verkehr auch um den sozialen Aspekt. Weil Autos teuer seien, müsse der ÖPNV stärker ausgebaut werden. Im Schulbereich brauche Hessen nach einer Studie bis 2030 rund 10 000 zusätzliche Lehrer. In den letzten beiden Jahren hätten 56 Schulleiter aus dem Landkreis Überlastungsanzeigen gestellt. Es werde also dringend mehr Personal gebraucht. Betriebliche Ausbildung gelte es aufzuwerten, dazu gehöre auch eine bessere Bezahlung der Azubis. Die Arbeitsbedingungen der hessischen Polizei nannte Dreyer „katastrophal“ und forderte mehr Unterstützung der Ordnungshüter im Alltag. Der hessische Verfassungschutz sollte abgeschafft und durch eine zivile Stelle ersetzt werden.  

Mara Perica bemängelt die schlechte Anbindung des ÖPNV im ländlichen Raum, vor allem bei den Ortsteilen der Kommunen. Nicht zuletzt Schichtarbeiter hätten dort das Nachsehen. In der Bildungspolitik spricht sich die AfD-Vertreterin für Ganztagsschulen aus und fordert die Betriebe auf, mehr junge Leute einzustellen und nach der Ausbildung zu übernehmen. Bei der Inneren Sicherheit befürwortet sie mehr Videoüberwachung. Kriminelle müssten „auch bestraft werden“.

Wahlkreis 52: Der hessische Landtag hat insgesamt 110 Sitze. Wie bei der Bundestagswahl können die Wähler auch bei der Landtagswahl zwei Kreuzchen machen: Mit der Erststimme entscheiden sie sich für einen Direktkandidaten, mit der Zweitstimme für eine Partei. 55 Abgeordnete werden demnach in den Wahlkreisen direkt und 55 Abgeordnete aus Landeslisten der Parteien gewählt. Zum Wahlkreis 52 gehören Babenhausen, Dieburg, Eppertshausen, Fischbachtal, Groß-Bieberau, Groß-Umstadt, Groß-Zimmern, Münster, Otzberg, Reinheim und Schaafheim. Beim jüngsten Urnengang 2013 holte die CDU 38,9 Prozent der Stimmen im WK 52, die SPD 30,8, die Grünen 10,8, die Linke 4,5, die FDP 4,6 und die AfD 4,1. Das Direktmandat holte seinerzeit Manfred Pentz (CDU). Die Wahlbeteiligung lag bei 75,9 Prozent; zeitgleich war am 22. September 2013 auch Bundestagswahl.